Eine Tourenbeschreibung unserer Expedition Dividal aus Teilnehmersicht.
Text: Daniela Michaelis. Fotos: Sabine und Peter Weber
1.Tag Mittwoch
Abends beginnt unsere Tour mit einem köstlichen Essen bei Regina und Björn. Wir lachen viel und sind alle gespannt auf die nächsten Tage.
2. Tag Donnerstag
Björn erklärt uns die Schlitten, Geschirre, den Umgang mit den Hunden ganz ausführlich.
Eine kleine Probefahrt für jeden rundet den Vormittag ab. Nachmittags die „Kleiderkontrolle“, ob auch jeder das Passende dabei hat. Alles Überflüssige sortieren wir aus und deponieren es auf der Huskyfarm. Zum Schluss informiert uns Björn bei einer Tasse Tee über das Verhalten bei Schneesturm und anderen Notsituationen. Diese Möglichkeiten schliessen wir für uns innerlich sofort aus und bestellen direkt im Himmel sonniges und kaltes Wetter….
3. Tag Freitag
Morgens sehen wir auf dem Thermometer – 28 C und stellen uns die bange Frage, wie wir „da draußen“ überleben können.
Nach dem Frühstück beladen wir unsere Schlitten: jeder eine Kiste mit Hundefutter, Schlafsack, Isomatte und Überschlafsack, Stahlseil (stake-out), persönliche Tasche und Dinge für die Allgemeinheit (Axt, Rentierfelle, Schaufel, Töpfe u.a.). Schlitten an die Startposition geschoben, Hunde angeschirrt und eingespannt.
Ein Mordsgeheule und Gezerre auf allen Plätzen beginnt. Mit weichen Knien harren wir auf unserem Schlitten aus, ziehen an dem Haken und …. sausen davon. Da die Strasse jedoch stetig bergan verläuft und der Schlitten einiges an Gewicht aufbringt, geht es nach kurzer Zeit in einem gemächlichen Tempo voran.
Oben auf dem See erwartet uns ein herrlicher Blick auf die sonnigen Berge und den See. Die klirrenden Temperaturen lassen uns bereitwillig mitpedalen und die Landschaft dabei genießen.
Nach einiger Zeit stärken wir uns mit Keksen und Schokolade. Am Nachmittag steuern wir auf das Lavvu (Tippi oder Kote) zu. Björn verrät uns noch nicht, dass es auf einem Hügel liegt und läßt uns in voller Montur die Schlitten hinaufwuchten. Oben angekommen, sind wir völlig durchgekocht. Für die nächsten Anstiege sind wir gewappnet.
Wir stoppen am Fuße des Berges (egal, was der Hintermann/-frau denken könnte)und entkleiden die äußersten Schichten. Die Hunde, ungehalten über diese Pause, ziehen dann umso begeisterter bergan. Oben angekommen, dasselbe natürlich wieder rückwärts.
Nachdem uns Björn die „Ankerplätze“ zugewiesen hat, der Schlitten am Baum festverschnürt ist, geht es darum, das lange Stahlseil um passende Bäume zu wickeln – „und das ganze bitte noch straff gespannt“! Nachdem die Hunde ausgeschirrt sind und sich zufrieden an ihren Plätzen am Stahlseil zusammengerollt haben, genießen wir die Bäume mit Raureif, Sonne dahinter – wie im schönsten Traum.
Anschließend definieren wir unser „Schneeloch“, aus dem Schnee für Wasser geholt wird. Wir füllen die Töpfe und bekommen zur Antwort: So doch nicht, den müsst Ihr festdrücken. Ja, woher sollen wir Städter das denn wissen? Also zurück und siehe da: es passt doppelt so viel Schnee hinein.
Im Lavvu gibt es Suppe und geröstetes Brot, danach ist Zeit zum plaudern, ausruhen und Tee mit Rum trinken. Um 18.00 Fütterung der hungrigen Meute an den Leinen. Erstaunlich, wie schnell das gehen muß und wie schnell diese Brocken auch gefressen sind.
Ein wunderbarer Sternenhimmel begleitet uns dabei. Nachts wird es eiskalt. Als Neu-outdoorer sollte man wirklich auf eine Mütze und einen fest zugezogenen Schlafsack achten. Außerdem lieber eine Schicht mehr anbehalten. Ausziehen ist einfacher, als im stockdunklen Lavvu nach Kleidungsstücken zu suchen. Eine Nacht mit Eisfüßen wird lang…
4. Tag Samstag
Endlich wird es Zeit, dass unser Ofenmeister Peter den Ofen anfeuert und langsam Wärme zurückkehrt. Zuerst eine Tasse Tee oder Kaffe zum Wachwerden, danach gefrühstückt. Eine schöne Sitte, die ich daheim gerne übernehmen möchte.
Das Anschirren und Einspannen geht uns nun schon ganz flott von der Hand und wir starten ziemlich zügig steil bergab zum Altevatn. Nach einer kurzen gespurten Strecke biegen wir ab in den Tiefschnee. Wieder hält das Pedalen die Körpertemperatur konstant. Eine schöne und ruhige Fahrt über den See mit kurzen Möglichkeiten, die Landschaft zu genießen.
Nach einer kurzen Rutschpartie über einige Eisschollen, kommen wir nachmittags an der noblen Hütte am Ende des Sees an. Sie ist nagelneu. Da innen Temperaturen von – 20° herrschen, dauert es einige Zeit, bis wir ein „Wohlfühlgefühl“ feststellen können. Die Zeit nutzen wir mit mehreren Saunagängen und heißer Suppe. Abends ein weiches, warmes Bett und ein Plumpsklo – welch ein Luxus.
5. Tag Sonntag
Fahrt zur „Store Gamas Hütte“ oben auf den Bergen.
Bei meinen Startvorbereitungen sticht mir ein Ast buchstäblich schon fast ins Auge, aber ich hoffe, dass es noch gut gehen wird. Während des Lösens des Hakens vergesse ich den obersten Leitsatz: nie beim Start von der Bremse gehen. In halb gebückter Haltung, von einem davonkatapultierenden Gespann davongerissen – da klappt Björns empfohlener Stunt mit „Leine greifen und auf den Rücken drehen“ überhaupt nicht mehr. Das Seil saust in Sekunden durch die rutschigen Handschuhe und schon ist der Schlitten auf und davon. Unser Gebrüll ist für Björn nicht hörbar, aber Gott sei Dank dreht er sich beim Start immer um und erbarmt sich meines Gespannes. Der Blick ist deutlich …. Danach bemühen wir uns alle doppelt, ja nie mehr vom Schlitten zu fallen.
Nach einiger Zeit stoppen wir am Fuße der Berge – Kleidungsschichten verringern und hinauf. Trotz der Anstrengung macht es unglaublichen Spaß. Oben taucht eine riesige Rentierherde auf. Was für ein Anblick, wenn man noch nie welche in Natur gesehen hat. Die Hunde finden Rentiere auch unglaublich und sofort gilt wieder volle Konzentration auf das Gespann.
Die Fahrt führt über Felsen, an Bäumen vorbei und über wunderbare weiße Ebenen in strahlendem Sonnenschein.
Gegen 15.00 Ankunft an dem Windschutz. Die Hütte ist tatsächlich so klein, wie Björn sie beschrieben hat. Eine Weile halten wir uns draußen auf, Schnee holen, Holz sägen und spazieren gehen. Dann beginnt die gemütliche Zeit drinnen. Wir zünden Kerzen an, tauen tiefgefrorenen Rotwein auf und genießen das Abendessen. Später entdecken wir das Vorlesen und beginnen mit Christiane Ritters Buch „Eine Frau erlebt die Polarnacht“.
Irgendwann fallen uns die Augen zu und wir falten uns auf die Pritschen. Bei 6° ist es uns fast zu warm.
6. Tag Montag – längste Tour 40 km ca. 7 Std.
Fahrt über mehrere Seen und dann wieder steil bergan. Hanglage, schräg fahren, wieder bergan und irgendwann dann auch bergab um Felsen und Bäume herum. Bis auf einige „Kleinigkeiten“ haben wir es alle mit viel Spaß gemeistert und kommen erst am späten Nachmittag an der Hütte im Dividal Nationalpark an. Sie ist noch kleiner und bietet zwei Personen Platz. Mit uns möchten noch drei Norweger und ein Jäger die Hütte teilen. Nach einer wärmenden Suppe räumen wir das Feld und bauen unser Zelt auf. Kleine „Schneeschuhhüpfübung“ zum warm werden, Isomatten, Rentierfelle, Kocher und Lampe hinein – und schon wird es kuschelig warm. Nach einem leckeren Abendessen, abspülen im Sitzen und Lektüre von Christiane Ritter fallen wir in einen wohligen Schlaf. Obwohl es nachts doch recht frisch wird, ist es für uns ein unvergessliches Erlebnis.
7. Tag Dienstag
Nachdem wir das Zelt morgens wieder auf angenehme Temperaturen gebracht haben, verstauen wir alles in den Schlitten und starten wie immer bei Sonnenschein.
Die Fahrt geht durch einen Birkenwald. Die Sonne blitzt durch die Äste, die
Kristalle schimmern und glitzern, die Hunde laufen freudig voran, ein schönes Glückgefühl stellt sich ein. Das Herz will singen und jubeln. Solche Augeblicke sind so kostbar und fast unbeschreiblich. Das Leben kann so schön und einfach sein.
Weiter geht die Fahrt über Steine, an Bäumen und Baumstümpfen vorbei. Es ist ein anspruchsvolles Stück, bei dem wir achtsam sind. Im Zweifelsfall abbremsen und langsam um den kritischen Baum herumlenken. Auch heute ist ein sehr steiler Aufstieg dabei. Nach einer Fahrt auf einem Hochplateau kommt eine „Achterbahnabfahrt“, ein steiles Stück bergab, was nicht zu erwarten war. Mit hellen Schreien, überraschten Gesichtern und dem puren Entsetzen stürzen wir uns hinab, es gibt sowieso keine Haltemöglichkeit mehr. Der einzige Gedanke gilt den Hunden, sie bitte mit dem Schlitten nicht zu überfahren. Wir schaffen es alle. Jeder hat von Björn und Regina das Hundeteam bekommen, was gut zu ihm passt und mit dem wir allen Anforderungen gewachsen sind.
Nachmittags Ankunft an der Vuoma Hytta. Wunderbare Lage oben am Berg mit einem phantastischen Rundumblick auf die Berge. Da wir uns oberhalb der Baumgrenze befinden, kommen erstmals unsere Holzpflöcke zum Befestigen des langten Stahlseils zum Einsatz. Das andere Ende wird am umgekippten Schlitten befestigt. Wir Neulinge hoffen, dass diese Konstruktion unsere Hunde halten wird, aber Björn ist zuversichtlich.
Obwohl es erst 16.00 ist, füttern wir die Hunde geräuschlos und im Blitzangriff. Bevor sie kapieren, was los ist, fliegen ihnen schon die Brocken um die Ohren, so dass gar kein Zug richtiger auf die Leinen entstehen kann. Die nicht ganz vertrauenerweckende Befestigung der Stahlseile hält unter diesen Umständen.
Nun beziehen wir unsere Hütte. Vorher holen wir noch Wasser. Wir ahnen ja nicht, dass sich der See mit dem Wasserloch wieder 500 m bergab befindet. Also erst ein Loch bohren, warten bis das Wasser hochkommt, Eimer vollschöpfen und nun, bereits selbst müde und hungrig, mit den vollen Eimern wieder berghoch. Selten so geschwitzt. Aber auch stolz, solche Dinge erleben zu dürfen. Ein Glas Eiswasser und ein Teller Suppe haben selten so lecker geschmeckt. Die Hütte teilen wir mit einigen jungen norwegischen Jägern. Am Anblick der toten Schneehühner im Eingang der Hütte und den frei herumliegenden Gewehren darf man sich einfach nicht stören.
Heute sitzen wir bei grünem Tee, Rum und Kerzenschein in der Hütte und freuen uns des Lebens. Beim Zähneputzen erscheint uns sogar noch ein wunderschönes Polarlicht. Natürlich fehlt auch heute unsere Gute-Nacht-Geschichte mit Christiane Ritter nicht.
8. Tag Mittwoch
Heute starten wir blitzartig vom umgekippten – und somit gesicherten – Schlitten. Schlag auf Schlag ohne großen Abstand. Um den kümmern wir uns später. Sichernde Bäume stehen uns hier nicht zur Verfügung. Wieder beginnt eine schöne Fahrt bei Sonnenschein die Berge hinauf und hinab, hinein in ein neues Tal, vorbei an bizarr gefrorenen Wasserläufen und über einige Eisplatten. Die Bilder sind so schön, dass mein Herz gar nicht mehr weiß, was es davon noch aufnehmen und speichern kann. Es ist einfach zuviel Schönheit auf einmal.
Es geht rasant bergab, ein Birkenwäldchen taucht wieder auf und schon sind wir auf dem Altevatn angekommen. Die Fahrt über den See zum Lavvu vergeht viel zu schnell. Gerne würde ich noch ewig weiterfahren. Das Lavvu ist uns nun schon vertraut, jeder kennt seinen Platz und die Dinge, die zu tun sind. Wir setzen uns auf die Isomatten und freuen uns an der wärmenden Märzsonne. Die wärmeren Temperaturen kommen uns fast wie Frühling vor (-20°!). Nach Christiane Ritter kuscheln wir uns in die Schlafsäcke und schlafen wie die Murmeltiere. Inzwischen wacht niemand mehr auf, wenn der andere nachts aufsteht.
9. Tag Donnerstag
Nach einer kurzen Fahrt hinauf in ein Seitental und über den Altevatn geht es hinauf in die Berge zur Gaskashytta. Meine Leithündin beeindruckt mich immer wieder. Bis auf wenige Ausnahmen findet sie immer die Spur wieder, die Björn vor uns gezogen hat. Mit ihrem vollen Gewicht stemmt sie sich gegen Socke, wenn er anderer Meinung ist als sie. Und er gibt ihr recht und lässt sich zur Seite stemmen. Selbst meine Anweisungen mit „Venstre (links) und Høyre (rechts)“ befolgt sie. Ab und an lässt sie sich sogar auf einen Halt mit „Stå“ ein, ohne dass ich auf die Bremse treten muß. Es macht einfach viel Spaß mit diesen Hunden zu fahren.
Die Lage der Gaskashytta ist wunderschön. Nachdem sich die anderen in die Hütte verzogen haben, bleibe ich noch eine Weile im Schlitten sitzen und lausche der Stille. Es ist nichts zu hören, sehr ungewohnt für unsere Ohren.
Nachmittags bereiten wir für den morgigen Tag eine Spur mit Schneeschuhen vor. Die Stimmung in der Hütte mit Kerzenschein ist urgemütlich. Abends haben wir unseren letzten Nachtisch – einen Marsriegel – gesechstelt. Ich glaube, wir alle haben noch nie in unserem Leben einen Marsriegel mit solch einem Genuß und solch einer Freude gegessen.
10. Tag Freitag
Das Wetter ist erstmals bewölkt, so dass wir unsere Fahrt nicht über den Paß fortsetzen, sondern zum Altevatn hinabfahren und Richtung Heimat ziehen. Gegen Mittag erreichen wir den Parkplatz, auf dem Regina mit dem Hänger auf uns wartet. Wir können kaum glauben, dass in jede Box zwei Hunde passen und auch unsere Schlitten noch alle mitkommen. Aber es passt tatsächlich alles. Auf der Farm wird alles wieder ausgeladen und hungrig fallen wir über Reginas leckere Waffeln her. Nachmittags setzt heftiger Schneefall ein und wir genießen den letzten Tag mit Sauna, Dusche und faul sein.
Ein letztes gemeinsames Abendessen und ein gemeinsames Frühstück am 11. Tag lassen unsere Tour nett ausklingen. Wir alle sind uns einig, dass wir vom Hundeschlittenfieber erfasst sind und sicher wiederkommen werden.
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