Wie ich nach Norwegen kam …
Eine elf Monate lange und längs durch Norwegen führende Wanderung vergisst man nicht so schnell. Das merkte auch der nahe Hamburg aufgewachsene Bjørn Klauer, als er 1984 in Oslo startete und nach 3.500 Kilometer bei Kirkenes an der sowjetischen Grenze ankam. Doch lassen wir ihn selbst erzählen:
“Je näher das Ende meiner einjährigen Wanderung rückte, je unwahrscheinlicher und unwirklicher kam mir meine Rückkehr nach Deutschland vor. Was hatte ich dort noch verloren, und was hatte ich hier in Norwegen nicht alles zu gewinnen?
Fast ein Jahr war ich zu Fuß und auf Skiern unterwegs gewesen, hatte am unteren Rand des Existenzminimums gelebt und mich dabei im großen und ganzen pudelwohl gefühlt. Warum sollte ich also nicht versuchen, mich hier in Norwegen zu etablieren?
Ich kratzte in Deutschland alles nur verfügbare Geld zusammen und brach zusammen mit meiner damaligen Freundin und ganzen 3.000 DM wieder Richtung Norwegen auf. Per Autostop und weiter mit dem Postschiff der Hurtigrute schipperten wir nach Nyksund, zu einem verlassenen Dorf an der Küste der Vesterålen-Inseln.
NYKSUND
Diesen Wind und Wetter ausgesetzten Ort an den Ufern des Nordmeeres kannte ich schon von meiner Überwinterung während der Wanderung. Hier wollten wir versuchen, Fuß zu fassen. Und es fing gut an: Der in Nyksund aufgewachsene Viggo Larsen bot uns als neue Bleibe gleich das Haus seiner Tante an.
Diese enorme Hilfsbereitschaft und das unglaubliche Entgegenkommen der Insulaner verschlug uns immer wieder die Sprache. Hatten wir doch damit gerechnet, die erste Wochen im Zelt zu übernachten!
Wegen Geldknappheit bestand der Speiseplan zuerst hauptsächlich aus Mehl, Kartoffeln und Margarine. Immer wenn das Wetter es zuließ, ging ich zum Fischen: Fisch gebraten und gekocht und gekocht und gebraten, kalt, lauwarm oder heiß gegessen – das waren die möglichen Abwechslungen. Tag für Tag und Woche für Woche.
Dann endlich bekam ich den ersten Job. Die Zeit: “Am Montag nicht zu wissen was man Dienstag essen soll”, war vorbei. Nach ein paar Monaten langen Wartens lag auch endlich die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung im Postkasten. Es war geschafft! Es war, als hätte eine schwankende Brücke endlich ein festes Fundament erhalten. Im Kopf gab es Deutschland nicht mehr als Wohnalternative, höchstens noch als Urlaubsort.
DIE ERSTEN HUNDE
Schon während meiner Wanderung war ich “auf den Hund gekommen”. Ein Grönland-Hund als ständiger Begleiter zog mit einer Pulka einen Teil des Gepäcks. So lag es nahe, sich auch in Nyksund wieder Hunde anzuschaffen. Honi und Toivo sollten je eine Pulka für mich und Jutta ziehen.
Sobald die finanzielle Situation ein wenig mehr Raum für weitere Gedankenspiele ließ, träumte ich von einem kleinen Gespann mit vier Hunden. Naja, und sechs Hunde erlauben einer Person, auf dem Schlitten zu stehen und dazu noch Lebensmittel für eine 14tägige Tour aufzuladen. Dabei sollte es dann aber bleiben!
Doch solche Vorsätze sind nicht selten dazu verurteilt, wie Butter in der Sonne zu schmelzen. Denn eine unerwartete Zahl von Freunden und Verwandten forderte die Teilnahme an Wintertouren ein. Dafür reichte ein Gespann nicht mehr aus. Und da passte es ganz gut, dass eine Hündin zahlreiche Junge in das herbstliche Gras geworfen hatte, die im übernächsten Winter vor den Schlitten zu spannen waren.
So steuerte die ganze Geschichte, zunächst vielleicht unbemerkt, in immer professionelleres Fahrwasser. Denn die Hunde wollen immer etwas zu fressen. Sie benötigen Geschirre, Leinen und Schlitten, die man wiederum repararieren musste. Arbeit gab es genug, und das eifrig verdiente Geld verschwand in immer mehr Kanälen. Da diese Kanäle nicht zu stopfen waren, musste mehr Geld her! Warum also nur Freunde und Verwandte auf Tour nehmen? Warum nicht auch andere, die sich vom Frost in die Ohren zwacken lassen wollen? Und die dafür bezahlen können?
UMZUG
Diese Pläne führten jedoch bald zum Umzug ins Inland, denn der Platz an der Küste war begrenzt und die Schneeverhältnisse für lange Touren wegen der Nähe zum Golfstrom nicht ideal. In den Bergen, unweit der schwedischen Grenze, liegt der Schnee dagegen acht Monate. Das Klima ist weniger rauh und schon erheblich kontinentaler als an der Küste. In Innset, in der Gemeinde Bardu, wurden wir auf der Suche nach einer Huskyfarm fündig.
Zehn Bewohner zählt die Ansiedlung, wobei nur drei noch im arbeitsfähigen Alter sind. Der alte Innset-Hof liegt verlassen im Tal, direkt am See Veslevatn, was übersetzt “Kleiner See” bedeutet. Die ehemaligen Bewohner haben sich unweit ein neues, modernes Haus gebaut.
INNSET
Nach Innset zogen wir mit 25 Hunden, zwei Lastwagenladungen Hundehütten, einem Trainingsauto, jeder Menge Hausrat und Nachwuchs – unserem ersten Sohn Morten.
Seit der grundlegenden Renovierung des Hofes und dem Bau neuer Gästehütten verfügen wir nun endlich über ideale Bedingungen für unseren Traum, der schon längst Wirklichkeit und Profession geworden ist: ambitionierte Hundeschlittentouren anzubieten für alle, die Spaß haben an dieser traditionellen Art der Fortbewegung!
Inzwischen hat sich in Innset einiges getan: Björn und Jutta haben sich getrennt. Jutta wohnt nach wie vor in Bardu.